Die negativen Folgen der Krippenbetreuung waren schon in der DDR bekannt.
Veröffentlicht am 26. Januar 2023 von Jenniffer Ehry-Gissel beim Verband Familienarbeit e.V., Deutschland
In der neueren Literatur gibt es viele Berichte, die sich kritisch mit der Betreuung von U3- Kindern in Kinderkrippen auseinandersetzen (1). Eine ganze Reihe von Studien kommt zum Ergebnis, dass eine frühe, wenn auch nur vorübergehende Trennung von den Eltern sich in der Regel nachteilig für die Kinder auswirkt. Die feste Bindung an erwachsene Bezugspersonen, in der Regel den eigenen Eltern, werde dadurch erschwert. Mangelhafte Bindung erschwere wiederum die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls, was sich ungünstig auf das spätere Lernverhalten und den Lernerfolg in der Schule auswirke.
Von den Befürwortern der aktuellen Krippenpolitik wird meist eingewendet, das seien Untersuchungen aus einer vorgefassten kritischen Haltung gegenüber den Kinderkrippen heraus. Diese seien daher nicht wirklich objektiv.
Kaum beachtet wurden jedoch bisher in dieser Auseinandersetzung Ergebnisse von Studien aus der früheren DDR, wo es die Kinderkrippen schon seit 1950 gab. Bei diesen Untersuchungen kann keine vorgefasste kritische Einstellung angenommen werden, stand doch auch das Bildungssystem einschließlich der dortigen Forschung unter dem Einfluss einer positiven Beurteilung der Krippen.
Allerdings gab es auch in der DDR Wissenschaftler, die entgegen den staatlichen Vorgaben eine eigene Sicht bewahrten. Die Krippengeschichte der DDR wurde erst jetzt systematisch aufgearbeitet (2). So kam die Doktorandin Karin Hortmann 1984 aufgrund ihrer Untersuchungen zum Ergebnis, dass dreijährige „Familienkinder“ bei der sprachlichen Entwicklung den gleichaltrigen „Krippenkindern“ überlegen seien (3). Das widersprach der offiziellen Auffassung in der DDR und durfte deshalb nicht veröffentlicht werden. Es ist aber in den jetzt zugänglichen Originalarbeiten nachzulesen. Hortmann beschreibt auch eine hohe Korrelation zwischen Sprachentwicklung von Dreijährigen und dem Schulerfolg am Ende der 1. Klasse. Das lässt an die im IQB-Bericht 2021 beschriebene Verschlechterung der Leistungen von Viertklässlern seit 2011 denken (5), die nach der „Krippenoffensive“ ab etwa 2003 zunehmend in ihren ersten Lebensjahren in Krippen betreut wurden.page1image54233728
Selbst die Altkommunistin, Dr. Eva Schmidt-Kolmer, eine führende Vertreterin der Krippenpolitik, forderte in der Anfangszeit der DDR „den Rückstand in der körperlichen wie psychischen Entwicklung der Krippenkinder im Vergleich mit zu Hause aufgewachsenen Kindern zu überwinden“ (6). Sie sah das Problem also nicht in der Krippenbetreuung selbst, sondern meinte, den Rückstand der Krippenkinder beheben zu können, was sich freilich als Illusion herausstellte. Das ideologische Ziel einer Frauenerwerbsarbeit in Vollzeit erschien wichtiger als das Kindeswohl – eine klare Parallele zur Gegenwart.
Der Verband Familienarbeit e.V. lehnt Kinderkrippen nicht grundsätzlich ab, sondern fordert, dass die Betreuung von U3-Kindern durch die Eltern in gleichem Maße honoriert wird wie in einer Kinderkrippe. Die durchschnittlichen vom Staat getragenen Kosten eines Krippenplatzes, sollten auch die selbstbetreuenden Eltern erhalten, um ihnen eine echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Die gegenwärtig einseitige Subventionierung der Fremdbetreuung halte wir mit Art. 6 (2) unseres Grundgesetzes für unvereinbar.
Quellen:
(1) Rainer Böhm, Dr. „Die dunkle Seite der Kindheit“, FAZ 2012 https://www.fachportal-bildung-und-seel ... -Boehm.PDF
(2) Florian von Rosenberg, „Die beschädigte Kindheit, Das Krippensystem der DDR und seine Folgen; Verlag C.H. Beck, 2022
(3) Hortmann, Karin; Zur Diagnostik des sprachlichen Entwicklungsstandesdreijähriger Kinder“; Dissertation, 1984, Humboldt-Universität Berlin S. 146
(4) Ebenda S. 150
(5) IQB-Bildungstrend 2021 – erstellt vom „Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ der Humboldt-Uni Berlin
(6) Von Rosenberg (siehe oben), S. 165
HINWEISE:
"Verstaatlichung der Kinder"
Tatsachen und Forschungen zum Thema Familie
Kommentar dazu:
Lena schreibt:
Es ist richtig, dass es Eltern gibt, die es sich leisten können, ihre Kinder selbst zu betreuen und es auch gut hinbekommen. Die es sich nicht leisten können, haben keine Wahlmöglichkeit.
Die Pädagogik hat sich gewandelt, und besonders die Bindung ist in Fokus geraten. Gute Kindergärten oder Tagesstätten achten sehr auf eine guten Bindungsaufbau und auf eine langsame Eingewöhnung. Die aktuelle Lage in vielen Tagesstätten mit Personalmangel kann das gute Bindungsverhältnis aber kaum mehr leisten. Es ist eine Schande, dass viel Geld pro Kind für diese mangelhafte Betreuung bereitwillig gezahlt wird, aber für Eltern dies nicht ermöglicht wird. Schaut man sich die Zahlen an, könnte viel Leid und Geld gespart werden, wenn Eltern finanziell gut unterstützt werden würden. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass viele Heimplätze nicht belegt werden müssten, wenn Familien ein Viertel der Kosten, die so eine Unterbringung kostet, zur Verfügung hätten. Davon ausgenommen sind Suchtmittelabhängige, Gewalttätige, misshandelnde und vernachlässigende Eltern.
Genau diese Dinge müssten dann bei finanzieller Unterstützung durch soziale Dienste überprüft werden können. Das ist wichtig, denn leider gibt es auch diese Eltern, die Bindung nicht aufbauen können, und für diese Kinder muss es eine frühzeitige Hilfe geben. Für diese Kinder ist ein Kita-Platz oft ein großer Gewinn für die Entwicklung und manchmal sogar lebensrettend.