Alfons & Maria Brandstätter am 24. 4. 2006!
Rückblick auf unser gemeinsames Leben, anlässlich der Goldenen Hochzeit
A.
Dass wir hier beisammen sein dürfen, um gemeinsam ein 50-Jahr-Jubiläum zu feiern, dass unsere Geschwister, unsere Schwägerinnen und Schwager, unsere Patenkinder und vor allem unsere Kinder, Schwiegerkinder und alle unsere Enkel gesund und wohlbehütet da sind, das ist schon Grund genug um sehr dankbar zu sein. So danken wir Euch allen für Euer Kommen und für Eure Bereitschaft, mit uns zu feiern, zu beten und zu danken.
M.
Für uns beide ist ein solches Jubiläum natürlich Anlass für einen Rückblick. Wir möchten das jetzt versuchen und bitten Euch mit uns zurückzuschauen auf unser gemeinsames Leben, auf unsere Familie, auf unser gemeinsames Bemühen und Versagen und auf all den Segen und die Bewahrungen, die wir erfahren haben.
A.
Schon seit dem 6.Lebensjahr kennen wir uns, weil damals die gemeinsame achtjährige Schulzeit begann.Die Erinnerungen meinerseits an die kleine, zarte Maria Fachberger sind derart, dass sie immer, und das vom Anfang bis zum Ende der Schulzeit, eine perfekte Vorzugsschülerin war. Die Note sehr gut auf allen Schularbeiten und in den Zeugnissen war vorprogrammiert. Ein weiterer Erinnerungspunkt war sehr bald ihre Stimme, die ich von damals bis heute immer gerne höre. Für mich dagegen war die Schulzeit von 1938 bis 45 eine sehr unerfreuliche Angelegenheit. Erst nach Kriegsende - im Jahre 46 – hatten wir eine Lehrerin, bei der ich mich wohlfühlte und das Lernen interessant wurde. Eine sehr große Hilfe in meiner Kindheit und frühen Jugendzeit war die verständnisvolle Liebe meiner ältesten Schwester Mariedl, der Sr. Johanna. Ihr Abschied von daheim durch ihren Ordenseintritt 1945 war für mich sehr schmerzlich.
M.
Unser gemeinsamer Weg begann im Sommer 1952, als ich die Liebe von Alfons bewusst erwiderte. Damals begann wohl die schönste Zeit unseres Lebens. Ein Leben voller Träume und Visionen, ein gemeinsames Planen und Hoffen, eine Zeit, in der alle Probleme klein und unsere Möglichkeiten sie zu meistern sehr groß wurden. Eine Zeit, in der wir sehr viel gemeinsam unternahmen, in der wir uns immer mehr und tiefer verstehen und lieben lernten, eine Zeit der zunehmenden Sehnsucht nach der vollen Gemeinschaft und Geborgenheit in der Ehe, ohne sie vorwegzunehmen. Wir sind sehr dankbar für diese Zeit, sie war einfach schön und einmalig, obwohl sie uns nicht davor bewahrte, die harte Wirklichkeit eines Bergbauernlebens in einer großen Umbruchszeit ein wenig zu heftig und zu plötzlich kennenlernen zu müssen.
A.
Im Laufe des Jahres 1955 entschieden sich meine Eltern, den Voitsbergerhof an mich zu übergeben. Wahrscheinlich auch deswegen,weil ich eine fixe Freundin hatte. Der Tag des Vertragsabschlusses, der 3.Jänner 1956, ist mir in sehr guter Erinnerung, weil mich dabei eine große Bangigkeit befallen hat. Der 24. April 1956, der Tag unserer Hochzeit, war der Beginn des neuen Lebensabschnittes. Dieser Beginn war geprägt - einerseits von der Sorge meiner Eltern: “Werden die Jungen die Aufgabe bewältigen?“ Und andererseits von der Sorge von uns Beiden: „Wie werden wir es schaffen? Wie wird das alles werden?
M.
Für mich war es natürlich eine enorme Umstellung und, wie sich bald herausstellte, eine Überforderung. Mir wurde Angst, ich verlor die Zuversicht und jegliche Hoffnung, dass wir es bewältigen. Sehr viele Stunden des Weinens waren meine Begleiter, und es war eine schwere Zeit, auch für Alfons. Doch das Leben ging weiter, und mit der Zeit kam auch die notwendige Kraft zurück. Eine ganz große Hilfe für uns beide war damals die sehr verständnisvolle Mithilfe von Christl und Alois. Wir haben das nie vergessen und möchten heute ein ganz besonderes Dankeschön dafür aussprechen. Neue Herausforderungen und ganz viel Freude brachten die Geburten unserer Kinder. Sechs Kinder waren unser Wunsch, und er ging auch in Erfüllung. Jedes unserer Kinder empfanden wir als großes Geschenk und sind dafür sehr dankbar. Ebenso dankbar sind wir für jedes unserer Schwieger- und Enkelkinder.
A.
Eine große Hilfe in all diesen Erfahrungen war die Überzeugung, dass wir nicht dem Zufall oder irgendeinem blinden Schicksal ausgeliefert sind, sondern einen liebenden Vater im Himmel haben. Eine Überzeugung, die uns schon von unseren Eltern vermittelt worden war. Mir ist dabei eine Begebenheit mit meinem Vater in besonderer Erinnerung. Es war an einem schönen Sommertag nach der Getreideernte. Seit halb drei Uhr früh musste ich dem Vater beim Ackern die Ochsen weisen. Ich war 9 oder 10 Jahre alt. Um ca. 6 Uhr brachte jemand das Frühstück, und wir setzten uns am steilen Hang auf die Wiese. Während des Essens erlebten wir einen schönen Sonnenaufgang über dem Kraberg. Vater hörte zu essen auf und sagte:
„Schau Alfons, so groß ist Gott, die ganze Schöpfung hat Er so wunderbar gemacht und Er liebt uns.“
Für solche Erinnerungen, es gibt davon ja mehr, sind wir unseren Eltern dankbar, weil sie uns zeigen, dass Gottesfurcht ihr Leben bestimmte, obwohl beide Elternpaare, meine, wie auch die meiner Frau, ein sehr hartes Leben zu bewältigen hatten.
M.
Auch wir haben uns mehr oder weniger erfolgreich bemüht, trotz der vielen Arbeit genügend Zeit für unsere Kinder zu haben. Eine große Freude war für mich, mit unseren Kindern zu singen. In verschiedenen Kinderliedern ihnen auch Wertvolles zu vermitteln. Unauslöschlich in meinem Gedächtnis sind Erfahrungen der Bewahrung vor großem Leid. Eines Vormittags ging ich über den Hof. Die beiden Ältesten, Alfons und Klaus, hatte ich aus den Augen verloren. Ich dachte, sie spielen irgendwo. Im unteren Teil des Hofes war ein Wasserbehälter voll Wasser. Nichtsahnend warf ich einen Blick in diese Richtung und sehe mit furchtbarem Erschrecken einen kleinen Haarschopf aus dem Wasser ragen. Einer der Buben! In Panik bin ich gelaufen, habe ihn herausgezogen, es war Klaus. Ich schrie um Hilfe. Alfons war nicht daheim, aber Vater war in der Nähe. Er nahm das Kind, machte sofort Wiederbelebung, und nach kurzer Zeit fing Klaus wieder zu atmen und zu weinen an. Mit großem Zittern und unendlicher Dankbarkeit nahm ich ihn in meine Arme.
A.
Als ich davon erfuhr wurde mir mit Erschrecken bewusst, dass ich verantwortlich gewesen wäre für den Tod eines unserer Kinder. Ich hätte die Gefahr erkennen müssen und dafür sorgen, dass kein Wasser in diesem Behälter ist. Doch das sollte nicht die einzige Erfahrung dieser Art sein. Einige Jahre später hatte ich mit dem 15-PS-Traktor ein Feld in der Nähe des Baches zu eggen. Klaus wollte mitfahren, und ich brachte es nicht fertig, nein zu sagen. Er saß neben mir auf dem Kotflügel und hielt sich am Geländer fest. Beim Umkehren schaute ich einen Augenblick auf die andere Seite, und gerade da verlor Klaus den Halt und fiel vom Traktor. In dem Moment, als ich das bemerkte, stoppte ich den Traktor, sprang ab und hob Klaus vom Boden auf. Er lag einige Zentimeter vor dem Gitterrad.
Jahre später: Eine der Missionsschwestern war aus Indien auf Heimaturlaub daheim, und wir fuhren mit dem Auto in die Kirche. Unsere Tochter Elisabeth, ca. 9-Jährig, fuhr mit. Auf der Bundesstraße ging Tante Anna zu Fuß. Elisabeth wollte mit ihr gehen. Ich fuhr rechts an den Straßenrand und ließ sie aussteigen. Unmittelbar hinter dem Auto lief sie über die Straße und in ein entgegenkommendes Auto. „Nur“ ein gebrochenes Bein.
Wieder Jahre später - auf der Baustelle beim Wohnhausumbau: Der 8-jährige Johannes geht trotz Verbots mit seinem Bruder Bernhard auf den Dachboden. Sie werden unvorsichtig, und Johannes stürzt 6 Meter im unfertigen Stiegenhaus hinunter, schlägt neben einer Eisenschiene auf Bretter auf und bleibt fast völlig unverletzt.
Viele Jahre später passiert durch Verkettung verschiedener Umstände ein Unfall mit dem Mähtrack. Dominik kommt unter das umstürzende Fahrzeug. Minuten später, (wohl die schrecklichsten Minuten meines Lebens,) konnte ich ihn unverletzt befreien. Der erste Satz des Sechsjährigen war: „Gott sei Dank, dass ich noch lebe.“
Selbst nach vielen Jahren bin ich bei der Erinnerung an diese Ereignisse zutiefst erschüttert und ohne Antwort.
M.
Eines aber ist gewiss, es ist Bewahrung, wohl unverdient und doch Bewahrung und ganz viel Grund zur Dankbarkeit. Solche und viele andere Erfahrungen bewirkten in uns, mehr und tiefer nach Antworten zu suchen auf verschiedene brennende Fragen. Von Freunden aufmerksam gemacht auf die Möglichkeit, die Bibel in einem Hauskreis besser kennenzulernen, brachte uns dazu, da mitzumachen. Über Jahre hindurch fuhren wir einmal monatlich auf Schloss Klaus und wurden von Peter Wiegand, dem damaligen Leiter, mit dem Reichtum von Gottes Offenbarung in der Heiligen Schrift vertraut gemacht. Je mehr wir die tiefen Zusammenhänge in der Bibel verstehen lernten, den unerschöpflichen Schatz entdeckten, umso größer wurde unsere Ehrfurcht vor Gott dem Vater in seiner unbegreiflichen Größe und Liebe, vor seinem Sohn Jesus Christus und vor Gott, dem Heiligen Geist, umso tiefer das Verständnis vom Schöpfungs- und Heilswirken Gottes, umso klarer die Antworten auf viele brennende Fragen.
A.
Vor allem wurde uns bewusst, dass das größte Liebesangebot Gottes an die verlorene Menschheit, an jeden von uns, sein Sohn Jesus Christus ist und Er, Jesus, wirklich der einzige Weg, der einzige Mittler zum Vater ist. Friede für unser unruhiges Herz, Friede in der Ehe, Friede mit den Mitmenschen, Friede mit der Schöpfung, Friede mit dem Schöpfer, Friede durch Vergebung – nur durch Ihn! Es wurde uns auch bewusst ,dass Gottes brennende Retterliebe eine ganz intime, persönliche Beziehung mit jedem von uns sucht. Persönliche Liebesbeziehung gibt es nur in der freien Zustimmung zweier Personen. Kein Mensch kann sich an diesem wichtigen Punkt von einem anderen vertreten lassen, kein Ritual kann diese persönliche Entscheidung ersetzen. Das ist eine erschreckende und zugleich tief beglückende Erkenntnis. Ganz lebendig wird bei dieser Erkenntnis die Erinnerung an unsere Brautzeit, an die Zeit unserer jungen Liebe. Ohne die völlig freie Entscheidung von uns Beiden füreinander wäre unsere Brautzeit, diese schönste Zeit unseres Lebens, wäre auch unsere Ehe nicht möglich gewesen. Und im Licht dieser Erkenntnis ist das Glück der jungen Liebe mit all ihren Träumen keine Illusion, keine Täuschung, sondern ein Schimmer einer Wirklichkeit, auf die wir zugehen.
M.
Unser großer Wunsch heute ist, dass jedes einzelne Glied unserer Familie, dass wir alle ehrlich nach Erkenntnis der Wahrheit suchen, diese Erkenntnis uns geschenkt wird und wir danach leben. Dass die Wahrheit uns frei macht und unser Freund und ständiger Begleiter wird.